Freitag, 28. Februar 2014

Rezension zu "Wainwood House - Rachels Geheimnis" von Sarah Stoffers

Zeitreise ins 19. Jahrhundert

 

Zum Inhalt:
Wainwood House - Rachels Geheimnis entführt den Leser zurück ins England des 20. Jahrhunderts, genauer gesagt in das Jahr 1907. Das ägyptische Waisenmädchen Jane Swain kommt nach Wainwood House, nachdem ihre Eltern, ein Archäologenehepaar, bei einer Explosion ums Leben kamen. Im Gepäck trägt sie einen Brief eines Mannes, der sich ihr als alter Freund ihres Vaters vorstellt. Natürlich ist das ganze Herrenhaus in großer Aufruhr, sowohl die Dienerschaft als auch das Gesinde. Durch den Earl of Derrington erhält der Butler Maxwell Frost, der bei allen Dienstboten recht unbeliebt ist, die Aufgabe, Jane als Hausmädchen aufzunehmen und sie in die streng geordnete Hierarchie der Angestellten einzubinden. Zugleich wird der Earl mit unangenehmen Erinnerungen an seine Militärzeit in Ägypten konfrontiert. Und die Töchter der Goodalls, Penelope und Claire, werden auf ihr Debüt vorbereitet, denn beide sind im heiratsfähigen Alter. Warum aber wird Jane ohne Kenntnisse als Magd eingestellt? In welcher Beziehung steht sie zur Herrschaft in Wainwood House? Warum schweigt der Earl so hartnäckig über seine militärische Vergangenheit in Ägypten? Penelope und Julian, ihr Ziehbruder, wollen Licht in das Geheimnis bringen - und kommen einem neuen auf die Spur...

Meine Meinung:
Da ich Familiengeheimnisse liebe und seit Die verlorene Zeit von Michelle Ross auch von solchen angetan bin, die in einem füheren Zeitraum der menschlichen Geschichte spielen, erschien mir Wainwood House - Rachels Geheimnis als ein gutes Argument dieser Liebe weiterzufröhnen.

Der Anfang hat mich nicht sonderlich begeistert, muss ich gestehen. Irgendwie kam ich nicht ganz in die Geschichte rein und die Kapitel waren mir auch viel zu lang, als dass ich sie in einem Rutsch hätte durchlesen können. Erst nach etwa 150 Seiten konnte mich der Roman fesseln, dann wirkte er auf mich wie ein Sog, so dass ich es kaum erwarten konnte, weiterzublättern.

Obwohl ich mich anfangs nicht ganz einfinden konnte, hatte ich schon zu Beginn das Gefühl, als wäre ich Teil der Handlung und konnte mich richtig gut in die Figuren und ihre Interaktionen hineinversetzen. Die Bilder im Kopf des Lesers, die dadurch entstehen, sind deswegen genauso lebhaft wie die Charaktere selbst und man konnte sich in die damalige Zeit gut zurückversetzen.

Durch die Perspektivwechsel beleuchtet der Erzähler nicht nur die Gedanken und Gefühle einer Person, sondern wechselt zwischen 2 bis 3 Personen hin und her und berichtet von ihrem Stand der Dinge. Meistens wird aus den Blickwinkeln von Penelope, kurz Penny, Jane und manchmal auch Julian Rushforth berichtet, ein junger Mann, der bei den Goodalls aufgewachsen ist. Dadurch bleibt der Erzähler nicht nur personal, das heißt, er beschränkt sich nicht nur auf eine Figur alleine, sondern wird zum allwissenden Erzähler, der alles über die Personen weiß, wodurch eine Atmosphäre geschaffen wird, die very british und echt zugleich ist.

Echt wirken auch die gesamten Charaktere, die in dem Buch auftauchen, besonders Jane, Julian und Penelope. Am Anfang des Buches ist eine kurze Auflistung aller vorkommenden Personen gegeben - und das sind eine Menge. Daher ist es kein Wunder, dass sich der Leser zu Beginn der Handlung recht verloren fühlt und sich vielleicht ein wenig an Buddenbrooks zurückerinnert, wo das genauso war. Mit jeder Seite werden einem die Figuren vertrauter und spätestens nach 200 Seiten hat der Leser das Gefühl, jeden Einzelnen schon lange zu kennen. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei natürlich auf den Protagonisten Jane und Penelope.

Jane ist das ägyptische Waisenmädchen, das keinerlei Erfahrung im Umgang mit der englischen Dienerschaft inne hat und auch sonst nicht viel von den Aufgaben eines Hausmädchens versteht. Aufgrund ihrer Andersartigkeit fühlt sie sich von den anderen Angestellten ausgegrenzt und erhält eine Art "Sonderrolle" im Roman. Jane wirkt auf den Leser sehr mutig und willensstark und zeigt dies auch besonders gegen Ende des Romans hin. Sie macht im gesamten Roman eine unglaubliche Entwicklung durch und ist mir besonders ans Herz gewachsen.

Penelope ist die jüngste Tochter der Goodalls und steht ständig im Schatten ihrer älteren Schwester Claire. Sie interessiert sich für Bücher und lässt ihren Kindheitsfreund Julian immer Bücher aus der Bibliothek für sie schmuggeln, da sie sich selber nicht für die für Frauen ausgelegten Romane interessiert. Von ihrer Schwester Claire erntet sie ständig irgendwelche Seitenhiebe bezüglich ihres Aussehens und auch die Eltern wagen nicht zu hoffen, dass sich für Penelope jemals ein geeigneter Mann findet. Auch sie ist, wie Jane, aus ihrem gesellschaftlichen Kreis ausgegrenzt. Ein Grund mehr, die Standesunterschiede zwischen den beiden Frauen über Bord zu werfen und Adel und Gesinde zusammenkommen zu lassen.

Beide Geschichten zwischen den beiden jungen Frauen sind durch unglaublich sorgfältig ausgewählte Details miteinander verbunden, die nicht nur die Handlungen ausnehmend rund gestalten, sondern auch beide Stände letztendlich zusammenzuführen. Dadurch erfährt man nicht nur eine Menge über das Leben in einem britischen Herrenhaus sondern auch die Charaktere wirken wie die Handlung echt und greifbar auf den Leser. Man leidet, man hofft, man bangt mit ihnen und durchlebt ihre Probleme und Sorgen hautnah mit, da sie so untrennbar mit der damaligen Zeit verbunden zu sein scheinen.

Der Schreibstil fesselt einen von Anfang an, obwohl ich persönlich erst mit der Handlung vertraut werden musste und durch die sehr bildhafte Sprache entsteht das England zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor dem inneren Auge des Lesers wieder neu. Das bewirkt zudem, dass man Seite für Seite umblättert um immer mehr zu erfahren. Spätestens nachdem die Handlung in eine leicht kriminalistische Atmosphäre driftet, fühlt sich der Leser von der Geschichte so sehr angezogen, dass es ihm schwerfällt, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Man fiebert, genau wie bei den Charakteren, der Handlung entgegen und kann eigene Vermutungen aufstellen ohne gleich mit der Lösung konfrontiert zu werden. Man wird sozusagen selbst Detektiv und versucht, gemeinsam mit Jane und Penelope Rachels Geheimnis und auch Janes lückenhafte Erinnerungen mit seinen Überlegungen zu füllen.

Das Ende hat mir, genau wie eigentlich der vorherige restliche Teil des Buches sehr gut gefallen. Hier hätte ich mir aber bei einigen Charakteren ein bisschen mehr Interaktion untereinander gewünscht, da ein paar Probleme untergehen.

Fazit:
Downton Abbey made in Germany. Der Roman ist very british und der Leser fühlt sich durch die bildhafte Sprache zurück ins 20. Jahrhundert versetzt. Die Charaktere wirken authentisch und dreidimensional und man fühlt mit jedem Satz mit ihnen mit. Der Wechsel der Erzählperspektiven gibt nicht nur Einblick in die "Unterschicht" sondern auch in die Welt der "gesellschaftlich Geachteten" und zeigt, dass nicht jeder aufgrund seines hohen Standes glücklich ist. Obwohl mich der Anfang nicht richtig packen konnte, bin ich doch froh, die 526 Seiten gelesen zu haben. Dieser Roman ist ein absolutes Muss für alle Fans von Downton Abbey, historischen Romanen und Familiengeheimnissen. Ich hoffe, es wird noch einen Teil davon geben. Ich vergebe 4 von 5 Sternen an diesen wundervollen Roman, der mich eine richtige Zeitreise hat erleben lassen.

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Allgemeine Infos zum Buch
Erscheinungsdatum Erstausgabe : 28.10.2013 
Aktuelle Ausgabe : 28.10.2013 
Verlag : cbj 
ISBN: 9783641108885 
E-Buch Text: 528 Seiten
Sprache: Deutsch

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